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Finger weg von Spec Work!

Bild: "Blindfolded man walking through light bulbs shaped as junk food and green vegetables" | Datei: #98994200 | Urheber: pathdoc | Quelle: www.fotolia.com

In Zeiten personell chronisch unterbesetzter Marketingabteilungen und unter dem zunehmenden Einfluss der effizienzgetriebenen Procurement-Abteilungen in werbungtreibenden Unternehmen, verzichten Marketeers immer häufiger auf Ressourcen verschlingende Pitches, um sie durch schriftliche Ausschreibungsverfahren zu ersetzen. Die sparen nämlich Kosten und Zeit für Reisen und Meetings und sind sogar vermeintlich fairer, weil man ja die menschliche Komponente weitgehend ausschaltet und neue potenzielle Kreativdienstleister ausschließlich auf Basis von Probearbeiten beurteilt.

Und so flattern immer öfter sogenannte RFPs (Request for Proposal) in die E-Mail-Inboxen der Agenturmanager. Leider häufig magere, schnell und lieblos zusammenkopierte Briefings mit eher vagen Aufgabenstellungen, für die man bitteschön schnell eine Lösung einsenden möchte, anhand derer sich der potenzielle Auftraggeber ein Bild von der Leistungsfähigkeit der Agentur machen möchte. Von Rückfragen und -rufen möge man tunlichst absehen und eine persönliche Präsentation werde selbstverständlich nicht erwartet und sei ohnehin überwertet, schließlich könne man später ja auch keine Werbeerklärer mit der Kampagne zu den Kunden schicken. Davon, dass man aufgrund des schlanken Prozesses kein Präsentationshonorar erhalte, sollte ausgegangen werden, dafür winke dem Gewinner ja später ein lukrativer Projektauftrag.

Die Amerikaner nennen solche unbezahlten Probearbeiten Spec Work, als Abkürzung von Speculative Work, also Lösungen eher spekulativer Natur.

Tatsächlich wird wohl niemand ernsthaft bestreiten, dass die besten Kampagnen schon immer aus einer intensiven und nachhaltigen Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und seinen kreativen Dienstleistern entstanden und dass wirklich effektive Kommunikationslösungen immer auf präzisen Kenntnissen und Erkenntnissen über das individuelle Produkt / die Dienstleistung, den spezifischen Markt und die relevanten Zielgruppen basiert. Oder wie der Ausnahmekomponist Anton Bruckner wohl sagte: "Wer hohe Türme bauen will, muss lange beim Fundament verweilen."

Bei Spec Work gibt es gar kein Fundament und was das für die darauf errichteten Kommunikationslösungen bedeutet, ist wohl einleuchtend. Und kommen Sie mir jetzt bitte nicht mit Pisa!


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Dieser kurze Erklärfilm zeigt was Spec Work ist und warum es für beide Seiten – also weder für die Auftraggeber noch die kreativen Dienstleister – wirklich Sinn macht.


Und die Moral von der Geschicht': Besser, Sie tun es nicht!

Dieser Appell richtet sich durchaus an beide Seiten: An Marketingentscheider, die glauben, Sie könnten mit Hilfe eines einfachen RFP beziehungsweise eines Kreativwettbewerbs wirklich brauchbare Lösungen und vor allem den optimalen Kreativpartner finden und an die Agenturmanager, die glauben über solche Kreativschnellschüsse vermeintlich attraktive Neukunden gewinnen zu können. Es spricht nichts gegen einen fairen und gesunden Wettbewerb (Pitch) um den Werbeetat eines Kunden, aber bitte auf Basis eines soliden Briefings, fairer Konditionen und der Chance sich im Prozess gegenseitig "beschnuppern" und persönlich kennen- und bestenfalls schätzen lernen zu können.

Wie ein guter und fairer Pitch ablaufen sollte und welche sinnvollen Alternativen es inzwischen zum klassischen Pitch gibt, lesen Sie auch in meinem Whitepaper "Besser-Pitchen – Der klassische Pitch und seine Alternativen" [hier] oder verschiedenen Beiträgen zu diesem Thema hier in meinem Blog.

Falls Sie eine Anregung suchen, wie man angemessen auf die Einladung zu einer Kreativausschreibung (Spec Work) reagieren kann, möchte ich Ihnen die Muster-E-Mail von Tracey Halvorsen, President & Chief Visionary Officer bei Fastspot nicht vorenthalten:

Hello [Client]

Thank you for following back up with us and letting us know where you are in your decision making process. While we would love to be able to provide you with the things that will convince you Fastspot is the right fit for [Client], we don't feel providing a comp will accomplish those goals. We don't provide comps for any potential client for a few very important reasons that have to do with our respect for you and our respect for our team's process.

- A comp is a rushed attempt to give [Client] something to be excited about, and has more to do with bells and whistles than real strategy or research-based processes.
- A comp poses a very real threat of giving the client something "weak" that they may become attached to, and which we may feel is a wrong direction after we conduct our Discovery phase and research.
- At this point we know [Client] at such a preliminary level that there is simply no way we can provide a comp that reflects the work we put into every project we create for a client.

A successful website design has as much to do with content strategy, information architecture, usability and navigation as it does to do with "design". When asked for a comp it sends us a red flag that perhaps the client doesn't respect those elements and the importance they have in the successful outcome of the project.

I hope you will give consideration to our responses and rationale for why we can't and do not offer comps as part of our competitive process. We feel the best way to judge our effectiveness as a potential partner is to look at the fully evolved works we have created for similar clients.

I am happy to discuss our design process with the [Client] committee or the Cabinet, and provide examples from other projects to illustrate how findings from Discovery, and things revealed during focus groups and outside research, combined with a strong focus on target audiences, information architecture and usability, have resulted in very powerful, unique and highly successful projects.

The process we provide, and the expertise, is designed to generate successful results for our clients. We are confident we can accomplish the goals [Client] has expressed in their RFP (as well as additional goals which have yet to be discovered), and we hope to be considered for the partnership!

Best Regards,

Tracey


Ach ja. Und einen Guten Start in ein erfolgreiches neues Jahr mit gesundem Neugeschäft wollte ich Ihnen ja auch noch wünschen.