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Transparenz ist gut für Fenster. Für Agenturen aber eher gefährlich.

Photo by Dmitry Ratushny on Unsplash

Das letzte Mal, als Sie mit Ihrer Liebsten oder ihrem Liebsten zum Essen waren, haben Sie da Ihren Stammitaliener auch gefragt, wie viel sein Aufschlag auf die leckere sizilianische Burrata ist und was er seiner Aushilfskellnerin die Stunde zahlt? Nein? Wäre ja auch irgendwie übergriffig und jenseits des guten Anstandes, oder?

Das sieht der Einkäufer bei Ihrem potenziellen Neukunden allerdings völlig anders. Die oder der fragt mögliche Agenturpartner völlig ungeniert nach Zahlen, die in seinem eigenen Unternehmen wohl eher unters Betriebsgeheimnis fallen und für deren Preisgabe sie oder er vermutlich ganz schnell den Hut nehmen müsste. Diese Art von «Transparenz» ist aber etwas, das unter dem Vorwand von Compliance-Richtlinien selbst von vorerst potenziellen Lieferanten inzwischen erbarmungslos eingefordert wird.

Will man mit diesen Inquisitorinnen und Inquisitoren unter den professionellen Einkäuferinnen und Einkäufern ins Geschäft kommen, muss man als Agentur die Hosen runterlassen. Das Unterhöschen gleich noch mit. Blank sind Sie diesen Gatekeepern der großen werbetreibenden Konzerne nämlich am liebsten. Und diese Damen und Herren haben auch schon ganz klare Vorstellungen davon, wie viel ihre Agenturen noch verdienen dürfen am Ein- und Verkauf von Beratungs- und Kreativdienstleistungen.

Aber den Preis bestimmen aber eigentlich ganz andere: nämlich Angebot und Nachfrage. Und auch wenn sich Einkäuferinnen und Einkäufer gerne gerieren, als befänden wir uns in einem Nachfragermarkt, es ist in der Regel der Verkäufer – also die Agentur – die bestimmt, welchen Preis eine Leistung wert ist. Und deren Preis sollte sich niemals an der Spanne zwischen Ein- und Verkauf bemessen, sondern an dem Mehrwert, den die Agentur mit ihrer einzigartigen Leistung dem Unternehmen schafft.

Und während der Einkauf sich allzu gerne darauf einschießt, die Kosten für den Einkauf von Leistungen im Sinne seines Arbeitgebers zu minimieren, sollten Sie als Agenturmanager die Diskussion auf die Werte lenken, die Ihre Beratung und Arbeit beim Unternehmen schaffen hilft.

Denken Sie bloß an Ihre arme Kollegin Carolyn Davidson die - so wird es kolportiert – von Nike Gründer Phil Knight mit einem Almosen von 35 US-Dollar abgespeist wurde, für die Erfindung des und die Rechte an dem NIKE Markenzeichen, dem sogenannten Swoosh! Gemessen an der Arbeitszeit, vielleicht in den 70ern noch ein halbwegs gutes Honorar – gemessen am Wert für das Unternehmen, eine bodenlose Frechheit.

Jahr für Jahr haben Agenturen nicht ganz freiwillig dabei mitgeholfen, die Einkaufsabteilungen ihrer Auftraggeber schlauer und mächtiger zu machen, indem sie ihnen wertvolle Informationen über die internen Kostenstrukturen in die Hände gespielt haben. Und wie wollen sie jetzt das Spiel noch gewinnen, wenn der Gegner das eigene Blatt schon kennt?

Nur indem man die Eier hat und die letzte, mächtige Waffe einsetzt, die selbstbewussten Agenturen noch bleibt: ein klares «NEIN!» Nur so hindern Sie professionelle Einkäuferinnen und Einkäufer daran, die Herausgabe interner Daten zu verlangen, die deren Arbeitgeber niemals verraten würde. Das ist nämlich Erpressung – nicht Transparenz.

Mehr zum Thema Honorarforderungen durchsetzen und zum besseren Umgang mit Einkaufsabteilungen auch in meinen Beiträgen: «5 Strategien Ihre Honorarforderungen durchzusetzen.», «Einkauf - Plagegeister und Segensengel für Agenturen?» und «Perfekt bewaffnet mit dem Einkauf verhandeln.».